Die Installation „Wandern mit der Zeit“ beschäftigt sich mit dem Thema der Wiederholung und dem „Urbild“ des Gefäßes. Sie besteht aus zwei Teilen – einer horizontal an der Wand befestigten Papierrolle und einer davor am Boden stehenden Metallschale. Die Papierrolle ist Trägerin einer Tuschezeichnung, die sich aus Tausenden von kleinen Schälchen zusammensetzt. Diszipliniert und konzentriert ausgeführt, wird der Arbeitsprozess bestimmt von einem zeichenhaften Automatismus ohne gestalterische Absicht, wobei die Ausführung, das Zeichnen selbst im Vordergrund (und im Interesse der Künstlerin) steht. Ähnlich einer Wanderung, bei der ein Fuß vor den nächsten gesetzt wird, reihen sich die winzigen Schälchen in rhythmischer Abfolge von Einatmen und Ausatmen und scheinbar endloser Wiederholung an- und übereinander. Und ähnlich eines Weges, dem kein Ende oder Ziel vorgegeben ist, schließt die Zeichnung nicht an einer Papierkante ab, sondern läuft an der rechten Seite in die Papierrolle hinein. Während in der Zeichnung durch die verdichtete Darstellung von Schalen deren unerschöpfliche Möglichkeiten versinnbildlicht werden und erst über die Vorstellungskraft des Betrachters ihren Wert erhalten, macht das einzelne Gefäß am Boden durch seine Größe und plastische Dreidimensionalität ein reales, funktionales Angebot. Die Schale als Archetypus birgt gerade ungefüllt alles Potenzial und erfährt in der Leere ihre eigentliche Wertigkeit.
Susanne Hirsch